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Erster Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main

Friedrich Karl Kaul bei einer Pressekonferenz in Berlin (1956)

Nebenklagevertreter Friedrich Kaul aus der DDR (1956)

Am 20. Dezember 1963, vor 60 Jahren, begann in Frankfurt der bis dahin größte Prozess gegen NS-Verbrecher in Deutschland. »Retro Spezial DDR« gibt Einblicke in die Berichterstattung im staatlichen Fernsehen der DDR.

Aufarbeitung statt Schlussstrich
18 Jahre nach Kriegsende berichteten beim ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt 359 Zeugen und Zeuginnen aus 19 Ländern detailliert von Folter, Misshandlung, Tötungen und Mord. Das Ausmaß der Grausamkeit und die Systematik der Verbrechen erschütterte die deutsche wie die internationale Öffentlichkeit. Zwar fielen die Urteile vom August 1965 gegen einen Großteil der 22 Angeklagten mild aus (ab drei Jahren Gefängnis, in drei Fällen Freispruch, nur in sechs Fällen lebenslang) – aber der Prozess markierte den Beginn einer verstärkten Debatte um die Notwendigkeit von Aufarbeitung, anstatt einen Schlussstrich unter der Vergangenheit zu ziehen. 

Die »Aktuelle Kamera« über die Auschwitz-Prozesse
»Retro Spezial DDR« präsentiert eine Sammlung von Nachrichtenbeiträgen ab dem Prozessauftakt am 20. Dezember 1963 bis zum Abschluss der Beweisaufnahme am 6. Mai 1965. Darunter sind Berichte über den Verlauf der Verhandlung und Gespräche mit den DDR-Vertretern beim Prozess, wie dem Nebenkläger Friedrich Kaul, Zeugen und Sachverständigen. Außerdem wird über Mordandrohungen und Erpressungsversuche von Prozessteilnehmern durch das Netzwerk der Angeklagten berichtet. 

Generell präsentierte sich die DDR gemäß ihrem Gründungsmythos als antifaschistischer Staat und nutzte Gelegenheiten wie den Auschwitz-Prozess, um sich im staatlichen Fernsehen gegenüber dem Westen als ein Vorbild in der Aufarbeitung von NS-Verbrechen zu profilieren. Die Beiträge der Sammlung zeigen entsprechend, wie die DDR-Vertretung zur einzigen stabilen Instanz des Antifaschismus vor Gericht stilisiert wurde:

»Im Prozess gegen die SS-Mörder von Auschwitz ist es in erster Linie dem Vertreter der Nebenkläger aus der DDR, Prof. Dr. Kaul, zu verdanken, dass trotz aller Verdunklungsmanöver der SS-Verteidiger die Hintergründe des Massenmordes in Auschwitz aufgedeckt werden.«

Die propagandistische Zuspitzung im Kontext des Kalten Kriegs ließ dabei gänzlich die Anstrengungen außer Acht, die die westdeutschen Staatsanwälte um Fritz Bauer unternahmen.