Sendungsbesprechung der »Aktuellen Kamera« | Bildquelle: DRA/Klaus Winkler (1826042)

Das Fernsehprogramm nach der Grenzschließung

Der 1. Jahrestag der Berliner Mauer im Ost- und Westfernsehen

Ein Vergleich

Der Mauerbau in Berlin spielte zum ersten Jahrestag im Programm des DDR-Fernsehens kaum eine Rolle. Die »Aktuelle Kamera« und der »Schwarze Kanal« streiften das Thema nur am Rande. Vielmehr lag die mediale Aufmerksamkeit auf der Kinopremiere des DEFA-Films »Schaut auf diese Stadt«. Auch in den westdeutschen Medien versuchte man die Bedeutung des Tages niedrig zu hängen.

Am 13. August 1962 feierte der DEFA-Dokumentarfilm »Schaut auf diese Stadt« (DEFA Studio für Wochenschau und Dokumentarfilm 1962, 85 Min., s/w) im Ostberliner Lichtspieltheater »Babylon« seine Premiere. Der propagandistische Film in der Regie von Karl Gass und unter Mitarbeit von Karl-Eduard von Schnitzler hatte dabei in erster Linie die Aufgabe, die Teilung Berlins im Sinne der DDR-Partei- und Staatsführung zu rechtfertigen. Der Film zelebriert den Mauerbau als »Rettung des Friedens« und den »größten Sieg der deutschen Arbeiterklasse über den Imperialismus seit 1945.« Drei Monate später wurde »Schaut auf diese Stadt« im DDR-Fernsehen erstmalig ausgestrahlt.

Das DDR-Fernsehen berichtete nur am Rande

Die dramatischen Geschehnisse zum Bau der Mauer ein Jahr danach waren für die Programmverantwortlichen im Deutschen Fernsehfunk (DFF) ein Thema, das sie im Programm nur am Rande streiften. Stattdessen bestimmte der bemannte Weltraumflug des sowjetischen Wostok-Programms mit Live-Berichterstattung in der Sendung »Astronautisches Sonderstudio« das DDR-Fernsehen. Lediglich in der »Aktuellen Kamera« und im »Schwarzen Kanal« finden sich direkte Bezüge zum Mauerbau 1961. Die »Aktuelle Kamera« berichtete in ihrer Hauptausgabe über die Premiere des DEFA-Propagandafilms »Schaut auf diese Stadt« im Filmtheater »Babylon«. In dem Beitrag äußert sich Regisseur Karl Gass über die Bedeutung des Films. Im Fortgang der Sendung wurde der Blick auf die erfolgreiche Entwicklung der DDR gerichtet: Der Leiter des chemischen Instituts der Berliner Humboldt-Universität und ein Metallarbeiter erläuterten im Interview ihren Anteil an der Stärkung des Landes.

Im »Schwarzen Kanal« nutzte Kommentator Karl-Eduard von Schnitzler seine Sendezeit, um westdeutschen Politikern den Bau der Mauer und seine Bedeutung aufzuzeigen. Ihnen sei »seit dem 13. August 1961 zum ersten Mal in Deutschland die Grenzen ihrer Macht vor Augen geführt worden.« Für den Rest des Abends dominierte die Unterhaltung das Programm des DDR-Fernsehens: mit dem Hans-Albers-Film »Varieté« (1935) und einer »Knüller-Parade« in der Sendung »Das war ´ne Wolke« mit Margot Ebert und Heinz Quermann.

Das Programm zum Jahrestag fiel somit klar propagandakonform aus. So gab es in der Tagespresse der DDR im Nachgang auch keine Kritik an der sparsamen Berichterstattung. Lediglich ein DFF-interner Vermerk des Chefs vom Dienst (CvD) in einer Kladde beinhaltet für diesen Tag Lobvermerke für die gute Information des »Astronautischen Studios« und der »Aktuellen Kamera« sowie einen Vermerk, der »Schwarze Kanal« habe die Erwartungen der Programmverantwortlichen an diesem Abend nicht erfüllt.

Heftige Kritik der Presse über das »Wischiwaschi-Programm« im Deutschen Fernsehen


Obwohl Ernst Lemmer, Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, die Geschehnisse an der Berliner Sektorengrenze in den Nachtstunden des 13. August 1961 als einen Tag von geschichtlicher Bedeutung auf den Punkt brachte, fiel die Berichterstattung zum Jahrestag 1962 im westdeutschen Fernsehen eher blass aus. Gerade mal drei Beiträge schafften es ins Programm: eine Gottesdienstübertragung des Senders Freies Berlin (SFB), ein Rückblick auf die Ereignisse seit dem Mauerbau in der Tagesschau und eine kurze Ansprache des Bundespräsidenten Heinrich Lübke. So geben es zumindest die ARD-Sendeprotokolle vom 13. August 1962 her.

Im Gegensatz zur ostdeutschen Presse kritisierte die westdeutsche Presse die in den Augen vieler Journalisten belanglose Programmauswahl in heftiger Weise. Die »Welt der Arbeit« monierte die »unglaubliche Instinktlosigkeit« des Abendprogramms. Die »Welt« beklagte das »Wischiwaschi-Programm« zum 13. August: Dabei wäre es doch so einfach gewesen. Etwa mit den Filmen, die der SFB am und nach dem 13. August 1961 hergestellt habe. Und fragte »Nicht möglich, sie zu senden?«

Der Berliner Tagesspiegel kritisierte in ähnlicher Weise, gab seinen Lesern aber immerhin noch den Hinweis auf das aktuelle Magazin des SFB-Fernsehens, in dem der 13. August ausführlich erinnert werde. In den kommenden Jahren blieb der Jahrestag im SFB-Programm immer ein Thema, dem ein wichtiger Platz eingeräumt wurde.
 

»Berliner Abendschau« vom 13.08.1962: Luftaufnahmen vom Grenzverlauf, gefilmt aus einem Hubschrauber der US-Streitkräfte.

Der Mauerbau 1961 blieb für das ost- und westdeutsche Fernsehen auch in den Jahren danach ein sperriges Thema. Es offenbarten sich mehr und mehr Schwierigkeiten, sich diesem in die Geschichte eingegangen Bauwerk in Berlin mit treffenden Beiträgen zu nähern.

Jörg-Uwe Fischer

Literatur / Quellen

  • Rolf-Dieter Eichler, … die ihr in Ruhe leben wollt, in: Nationalzeitung v. 12.8.1962
  • Im Fernsehen ist der 13. August ein Reisetag wie jeder andere, in: Welt der Arbeit v. 10.8.1962
  • Wer schläft, sündigt, in: Die Welt v. 10.8.1962


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