Studio 3 | Bildquelle: DRA/Heinz Krüger (1870784)

Das Fernsehprogramm nach der Grenzschließung

Wer dirigiert hier?

Kultursendungen

»Kultursendungen«, das heißt Produktionen der Redaktion Kulturpolitik und Sendungen mit kultureller Thematik, waren in der Programmwoche des Mauerbaus eher unterrepräsentiert. Trotzdem geben sie Aufschluss über das Selbstverständnis der noch jungen DDR. Die Kulturpolitik spielte rund um den Mauerbau in kulturellen und politischen Kreisen eine erhebliche Rolle. Kulturpolitische Leitlinien wirkten sich konkret auf die Entwicklung des Fernsehprogramms aus.

»Sozialistische Persönlichkeiten« im Fokus

Auch wenn die Programmwoche des Mauerbaus nicht auf die gesamte Programmentwicklung der Kultursendungen in der Frühzeit des Fernsehens übertragen werden darf – eins ist doch auffällig: Im Vordergrund stehen Persönlichkeitsdarstellungen. Dazu noch über Menschen, die in offenbarer Weise verdienstvoll für die Ideen des Sozialismus oder der jungen »Nation DDR« wirkten. Diese Fernsehsendungen zeigen, dass die Darstellungen von Personen und Biografien oft mit einer Vereinnahmung für die aktuelle politische Zielsetzung der DDR einhergingen.

Seit der Gründung der DDR waren Kultur und Kulturpolitik den Zielsetzungen des Sozialismus und der Parteilinie der SED untergeordnet. Damit sollten auch kulturelle Sendungen nicht allein einen Informations- und kulturellen Mehrwert aufweisen, sondern ebenso im Sinne der Partei zur Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft beitragen.

Grundsätzlich war in der Phase um den Mauerbau die Kulturpolitik in politischen wie kulturschaffenden Kreisen ein auffallend präsentes Thema. Eine Rolle mag gespielt haben, dass gegen Ende der 1950er Jahre die materielle Grundversorgung weitgehend gesichert war und somit zunehmend Kapazitäten vorhanden waren, sich mit geistigen Belangen zu befassen. Zur Abgrenzung von der Bundesrepublik auf kultureller Ebene wurde in Parteikreisen eine »sozialistische deutsche Nationalkultur« gefordert.

An das Fernsehen wuchsen seit den 1950er Jahren – v.a. im Nachgang der Bitterfelder Konferenz – die Erwartungshaltungen, dass es sich verstärkt zum Massenmedium entwickeln und dadurch Einfluss auf die Entwicklung der Bevölkerung nehmen sollte. Die in der DDR erwünschte »kulturelle Massenarbeit«, die besonders Werktätige in die Kulturarbeit integrieren sollte, führten zu entsprechend ausgerichteten Sendereihen, wie »Greif zur Kamera, Kumpel«, in der Amateurfilme präsentiert wurden. In ähnlicher Weise förderte zum Beispiel die Sendung  »Neue Menschen und ihre Kunst« als Ratgebersendung künstlerisches Laienschaffen.

Kultursendungen in der Programmwoche des Mauerbaus

Bis in die 1970er Jahre hinein hatten Kultursendungen kaum feste Sendeplätze. Die Ausstrahlungen von Produktionen mit kulturellem Inhalt beschränkten sich in der Programmwoche des Mauerbaus auf die ersten drei Tage: den 13., 14. und 15. August 1961. Besonders präsent war in dieser Programmwoche die Form des Porträts, die sich im Verlauf der Woche mit dem US-Sänger Paul Robeson, Karl Liebknecht und dem Dirigenten Franz Konwitschny beschäftigten. Hinzu kam im Dienstagsprogramm lediglich die Sendung »Gehen wir ins Kino? Fragt Sie nicht ganz unabsichtlich Sergio Günther« – offenbar eine Magazinsendung, die sich dem aktuellen Kinoprogramm widmete. Die Beschäftigung mit Filmen, Filmgeschichte und Filmfestivals war 1961 ein beliebtes Thema im Fernsehen.

»Paul Robeson – seine Kunst ist seine Waffe«

Am 13. August 1961 wurde das Porträt »Paul Robeson – seine Kunst ist seine Waffe. Ein Lebensbild des großen amerikanischen Negersängers« ausgestrahlt. Das Porträt über den US-amerikanischen Bürgerrechtler, Freiheitskämpfer, Schauspieler und Sänger ist nicht überliefert, aber der Titel lässt Vermutungen über mögliche Inhalte zu: Die »Kunst als Waffe« und damit als politisches Instrument zu betrachten, entsprach dem kommunistisch geprägten Kunstkonzept. In der Sendung ging es daher vermutlich um die politische Motivation seines Gesangs.

Robeson wurde in der DDR aufgrund seiner Biografie große Bedeutung beigemessen. Der 1898 geborene Sohn ehemaliger Sklaven hatte als afroamerikanische Schauspieler und Sänger von Spirituals weltweiten Erfolg. Sein politisches Engagement galt der Bekämpfung von Rassismus, Faschismus und Diskriminierung. Das Eintreten für den Sowjetkommunismus führte zu mehrjährigem Ausreiseverbot aus den USA.

Entsprechend vereinnahmt wurde der politische Aktivist durch die DDR: Seit 1956 war er Mitglied der Akademie der Künste und 1960 wurde ihm durch die Humboldt-Universität die Ehrendoktorwürde verliehen. So sind auch im Deutschen Rundfunkarchiv mehrere Beiträge zu seiner Person von Reisen, Besuchen oder Konzerten, zu Geburts- und Gedenktagen sowie Gesangsauftritte im DFF-Fernsehen überliefert.

»Aktuelle Kamera«: Paul Robeson im Studio des DFF

Karl Liebknecht zum Geburtstag

Ein ebenfalls für den Sonntag um 19 Uhr geplantes Porträt wurde im Zuge der Sondersendungen zum Mauerbau auf den Folgetag auf 18:25 Uhr verschoben: »Zum 90. Geburtstag von Karl Liebknecht«. Redaktionell zugeordnet war dies den »Politischen Porträts und Gedenksendungen«.

Dass Liebknechts Geburtsdatum (13. August 1871) tatsächlich mit dem Datum des Mauerbaus zusammenfiel, reichte offenbar nicht aus, den Sendeplatz zu halten.
Die Machart des Porträts ist dank des erhaltenen Manuskripts zur Sendung rekonstruierbar: Der für Off-Sprecher konzipierte Text gestaltete sich in freiem Vers mit einem pathetischen Grundtenor. Auf visueller Ebene wurde mit Tricks, nachgestellten Szenen und Filmmaterial gearbeitet. Einen Großteil bildeten so genannte »Epis«, worunter Standbilder im weitesten Sinne, meist als gezeichnete Szenen, zu fassen sind.

Die Mischung aus inszenierenden Passagen und dokumentarischen Formen war charakteristisch für frühe Porträt-Sendungen. Sie kam darüber hinaus dem Format der »fiktionalen Geschichtssendung« nahe, das vor 1960 aus kulturpolitischen Gründen entstanden war. Geschichtsdarstellungen, wie in diesem Format praktiziert, dienten in der DDR propagandistischen Zwecken und schlugen häufig eine Brücke zu aktuellen Themen. Die Sendung über Karl Liebknecht endete laut Drehbuch mit der Darstellung einer »westdeutschen Demonstration gegen den Atomtod«, bevor ein letztes Mal das Bildnis Liebknechts eingeblendet wurde.

Und noch ein Geburtstag: Der Dirigent Franz Konwitschny

Am 14. August lief zu einer recht späten Zeit ein weiteres Porträt: »Franz Konwitschny – Eine Sendung zu seinem 60. Geburtstag«. Bei dieser Sendung handelt es sich laut Redaktionsunterlagen um einen Vertreter der Sparte »Künstlerporträt«.

Auch dieses Porträt über den erfolgreichen Dirigenten wirkt in Schnitt-Tempo und dramatischem Spannungsbogen sowie dem pathetisch-hölzernen Stil des moderierenden Walter Mehler zumindest für heutige Sehgewohnheiten im Unterhaltungswert problematisch für die Hauptsendezeit.

Dem Zuschauer wurden jedoch nicht nur Konzertausschnitte und ein Interview geboten, sondern auch ein Besuch beim Künstler zu Hause. Vermutlich ist aufgrund dieses »Homestory«-Charakters die Sendung der Programmzeitschrift »Funk und Fernsehen der DDR« (FF) einen größeren Artikel (»Franz Konwitschny ganz privat«) und ein Porträt des Ausnahmedirigenten auf der Titelseite wert.

Bemerkenswert ist, dass Franz Konwitschny trotz seiner früheren Sympathien mit dem Nationalsozialismus als großer Dirigent der »Nation DDR« dargestellt und gewürdigt wurde. Das künstlerische Schaffen und der internationale Ruf des Dirigenten waren für das junge Musikleben der DDR ausschlaggebender als seine Biografie.

Anna Pfitzenmaier

Literatur

  • Beck, Michael: Zur Herausbildung kulturpolitischer Sendungen des Fernsehens der DDR unter besonderer Berücksichtigung der Sendungen der Chefredaktion Kulturpolitik 1971-1984. Hochschulschrift, Leipzig 1985.
  • Dittmar, Claudia und Vollberg, Susanne (Hg.): Zwischen Experiment und Etablierung. Die Programmentwicklung des DDR-Fernsehens 1958-1963, Leipzig 2007 (darin insb. Judith Kretzschmar: Zwischen Schein und Sein. Die Kulturpolitik der DDR in den Jahren 1958 bis 1963, S. 139-159).
  • Franz Konwitschny. Gesammelte Presseartikel, DRA: Pressearchiv / Personalia.
  • Hoff, Peter: Zwischen Mauerbau und VIII. Parteitag – Das Fernsehen in der DDR von 1961 bis 1971, in: Hickethier, Knut: Geschichte des deutschen Fernsehens, Stuttgart 1998, S. 281-313.
  • Paul Robeson. Gesammelte Presseartikel, DRA: Pressearchiv / Personalia.
  • Prase, Tilo: Dokumentarische Genres. Gattungsdiskurs und Programmpraxis im DDR Fernsehen (MAZ 19), Leipzig 2006.
  • Schwander, Martin: Paul Robeson. Eine Biographie, Essen 1998.
  • Steinmetz, Rüdiger; Viehoff, Reinhold (Hrsg.): Deutsches Fernsehen Ost. Eine Programmgeschichte des DDR-Fernsehens, Berlin 2008.
  • Porträts/Lebensbilder, 1961-1969. B1b: Dramatische Kunst, Theaterabteilung, Kulturpolitik, DRA: SG FS Altbestand, Mag 161/19/37.