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Die Mondlandung 1969 im Rundfunk der DDR
Die erste bemannte Landung auf dem Erdtrabanten setzte in medialer Hinsicht neue Maßstäbe. Das Thema bestimmte die internationalen Schlagzeilen des Sommers 1969. »Der Mond ist jetzt ein Ami« titelte etwa die BILD an jenem 21. Juli. Die Live-Übertragung im Fernsehen brach weltweit Zuschauerrekorde. Kein anderes Ereignis zuvor wurde in so vielen Staaten und mit solchem technischen Aufwand auf die Rundfunkgeräte übertragen. Das Betreten des Mondes war für die USA auch die Inszenierung ihres technischen Könnens.
»Der Mond ist jetzt ein Ami«
Die Sowjetunion hatte mit Juri Gagarin im April 1961 bereits den ersten Menschen in den Weltraum geschickt. Ihm folgte 26 Monate später Valentina Tereschkowa als erste Frau. Der Druck auf die US-Amerikaner war immens: Bereits kurz nach Gagarins geglückter Erdumrundung verkündete der damalige US-Präsident John F. Kennedy das Ziel, noch vor Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond und wieder gesund zurück zur Erde zu senden.
Mediale Komponente
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Die Live-Übertragung im Fernsehen lockte geschätzte 500 bis 600 Mio. Zuschauer vor die TV-Geräte. In den USA moderierte Anchorman Walter Cronkite das Ereignis über viele Stunden, wobei besonders sein Ausdruck der Sprachlosigkeit (»Whew… boy«) unmittelbar vor Betreten der Mondoberfläche in Erinnerung blieb. In der Bundesrepublik moderierte Günter Siefarth 27 Stunden aus dem »WDR-Apollo-Studio« für das Erste, was ihm den Spitznamen »Mister Apollo« eintrug.
Darstellung in der DDR
Auch die Medien der DDR griffen das Thema bereits im Vorfeld der Apollo 11-Mission auf – allerdings weit weniger ausführlich. Die Landung der Astronauten auf dem Mond wurde in der DDR – anders als in benachbarten Staaten des Warschauer Pakts wie etwa Polen – nicht live übertragen. Eine genaue Erhebung, wie viele DDR-Bürger die Übertragung im Westfernsehen sahen, ist nicht überliefert. Medienwissenschaftler vermuten relativ hohe Zahlen.
Eklatante Unterschiede bei der Berichterstattung beider deutscher Staaten gab es in der Bewertung und inhaltlichen Auslegung: Während in der Bundesrepublik die Mondlandung als wissenschaftlicher Meilenstein gefeiert wurde, verortete man die Ereignisse in der DDR-Presse viel stärker mit den innen- und außenpolitischen Konflikten der USA und sparte nicht an Polemik. Auch in bundesdeutschen Medien wurden die Eigenheiten amerikanischer Vermarktungsformen der Mondlandung ironisch kommentiert. Diese Perspektive entsprang eher einer konsumkritischen Haltung. Dem gegenüber stand ein politisch-agitatorischer Blick aus der DDR.
Der Journalist Günter Leuschner schlägt in seinem Kommentar für den Berliner Rundfunk über weite Strecken moderate Töne an. Er lobt die technische Leistung der Apollo-Mission und den Mut der Astronauten. Doch die scheinbare Anerkennung wird durch rhetorische Mittel wieder relativiert: So leite die Mondlandung schließlich »keine neue Epoche der Menschheit« ein.
Leuschner nutzt anschließend einen Perspektivwechsel und rückt die Rolle der Sowjetunion, die »selbst so viele Pionierleistungen vollbrachte«, in den Mittelpunkt. Diese sei sowohl erster Gratulant gewesen und plädiere darüber hinaus schon lange für eine friedliche Kooperation im Weltraum. Das dichotome Weltbild einer moralisch vorbildlichen Sowjetunion schließt Leuschner durch die Darstellung eines »schlechten Gewinners USA« ab. Dort kämen zu den »chauvinistischen Tönen, die hier und da mitklangen« auch innenpolitische Schwierigkeiten, über welche die Mondlandung nicht hinwegtäuschen könne.
Wesentlich bissiger fällt der Kommentar zur Rückkehr der Astronauten bei Günter Herlt aus: Der Moderator und Journalist des Deutschen Fernsehfunks betrachtet die gesamte Mondmission als Ausprägung eines US-amerikanischen Militarismus.
»... und sie wurden herzlich begrüßt von Politikern und Generalen, die ansonsten Napalmbomben in den Krallen halten als Waffen des Krieges.«
Zwar bezeugt auch er Respekt gegenüber der Leistung der Raumfahrer, kritisiert jedoch den »Missbrauch« der Astronauten als »Reizpeitsche« zur Überwindung nationaler Probleme. Zur Untermauerung seines Standpunktes zitiert Herlt Auszüge bundesdeutscher Presseberichte, um den Eindruck zu erwecken, nicht er kritisiere die US-Politik, sondern die bundesdeutschen Medien.
Diese indirekte Form der Kritik war ein verbreitetes Mittel der DDR-Berichterstattung. Der Bevölkerung sollte der scheinbare Makel der Mondmission aus einer bundesdeutschen Perspektive suggeriert werden. Offenbar war sich die Staatsführung im Klaren darüber, dass viele DDR-Bürger die Mondlandung im bundesdeutschen Fernsehen verfolgt haben. Die indirekte Kritik aus BRD-Perspektive stellt danach einen Versuch dar, anschließend Einfluss auf das Meinungsbild zu nehmen.
Auf der anderen Seite wurde ebendieser bundesdeutschen Presse, die ansonsten nur im negativen Kontext rezipiert wurde (insbesondere die Springer-Presse als ein Feindbild der DDR), der Anspruch auf Seriosität und Validität zugesprochen. Diese opportune und situative Art propagandistischer Deutung offenbarte sich als eine zentrale Schwäche der DDR-Medien, die erst mit Gründung freier Zeitungen in der Wendezeit abgelegt werden konnte.
Vincent Kutz
Literatur zum Text
- Sven Grampp: Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter. Die erste bemannte Mondlandung im deutschen Fernsehen diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs, in: media/rep/
CD-Tipp
- Der Sputnik und sein Echo mehr
Online-Tipps
- Deutschlandfunk Der deutsche Mister Apollo
- Das DDR-Fernsehen 1964 über die Bedeutung der bemannten Raumfahrt »Retro Spezial DDR«
- ARD Audiothek Der Moment, als die Erde am Horizont auftauchte - Earthrise auf der Apollo 8