Türfries Sendehaus »Funkerberg« Königs Wusterhausen | Bildquelle: DRA/Fischer

»Hier ist Königs Wusterhausen auf Welle 2700«

Die Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland durch die erste Testsendung

Welche Möglichkeiten boten sich der Bevölkerung zu Beginn der Weimarer Republik in den Jahren 1919/20 auf der Suche nach Unterhaltung, Zerstreuung und Freizeitvergnügen? Diese Suche war für viele Menschen um so wichtiger, da das Ende des Ersten Weltkrieges und die harten Bedingungen des Versailler Vertrages tiefgreifende Erschütterungen für das zivile Leben in Deutschland mit sich gebracht hatten.

Der Klang der Weimarer Republik war in diesen ersten Jahren geprägt von den Nebengeräuschen der Grammophonplatte, die zumindest in den gutsituierten Haushalten für musikalische Abwechslung sorgte. Es war dieser »blecherne« Klang, der sich von dem Live-Auftritt eines Orchesters gravierend unterschied. Dennoch waren die Menschen begeistert von »ihrem« Grammophon, da sie damit ihre Lieblingsmusik an verschiedene Orte mitnehmen konnten. Livemusik bekamen Besucher hingegen in Tanzpalästen und -cafés, in Bars und Kabaretts, in Nachtclubs und sonstigen Orten des Vergnügens reichlich geboten. Insgesamt waren Schlager und Tanz in den 1920er Jahren sehr populär. Beide Genres fanden über Schallplatte und Notenblätter ihren Weg auch in die entlegensten Orte. Sie waren akustischer Ausdruck ihrer Zeit.

Auch der Film konnte sich als Massenmedium etablieren und bot den Kinobesuchern, bis zur Erfindung des Tonfilms 1927, mit musikalischer Begleitung vielfältige Abwechslung vom Alltag und befriedigte das wachsende Bedürfnis der Bevölkerung nach visueller Erfahrung.

Und dann etwas völlig Neues. Der Rundfunk!

Aus dem Äther erklang als erste Testsendung auf Langwelle am 22. Dezember 1920 ein weihnachtliches Konzert mit klassischen Festtagsliedern. Dies war die Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland, eingeleitet mit der Ansage: »Achtung, Achtung – hier ist Königs Wusterhausen auf Welle 2700.« Gegeben wurde dieses Konzert von Angestellten der Deutschen Reichspost mit Klarinette und Harmonium, Streichinstrumenten und Klavier im Sendegebäude auf dem Mühlenberg, später »Funkerberg«, der Stadt Königs Wusterhausen. Die Qualität der Übertragung war schlecht. Knattern und Rauschen begleitete die Musikdarbietung. Hören konnten diese Übertragung nur offizielle Beauftragte der Deutschen Reichspost, da das Abhören von Funksignalen in Deutschland aufgrund des Versailler Vertrages verboten war. Gehört wurde das Konzert aber im Ausland, von einer unbekannten Zahl von »Schwarzhörern« ganz zu schweigen. Ähnliche musikalische Darbietungen wurden vom Sender Königs Wusterhausen auch in den nachfolgenden Monaten ausgestrahlt.

Insgesamt war dies ein denkwürdiger, ein erinnernswerter Tag, der für große Resonanz sorgte.

»Von allen Erfindungen der Neuzeit ist der Rundfunk wie der Geist aus der Flasche. Es kommt auf die Beschwörung an, ob er uns ein hilfreicher oder betrügerischer Geist ist.«

Fritz Rudolf Fries, 29. Dezember 1991

In einer Sympathieerklärung für das Medium Rundfunk, ausgestrahlt in der Reihe »Gedanken am Sonntag« am 29. Dezember 1991, spricht der DDR-Schriftsteller Fritz Rudolf Fries (1935-2014) über die Entwicklung des Rundfunks von der ersten Musiksendung am 20. Dezember 1920 aus der Hauptfunkstelle Königs Wusterhausen bis zur Einstellung des Sendebetriebs im Berliner Funkhaus zum 31. Dezember 1991.

Eine Sympathieerklärung für das Medium Rundfunk (KONF 1879419)

Heute befindet sich in den Sendegebäuden auf dem »Funkerberg« ein Museum. Von den ehemals 23 Sendemasten ist lediglich ein Mast erhalten geblieben und unter Denkmalschutz gestellt. Dieser Sendemast ziert das Wappen der Stadt Königs Wusterhausen.

Am 29. Oktober 1923, das Verbot zum Abhören von Radiowellen war von den Alliierten aufgehoben worden, begann im Berliner Vox-Haus der offizielle Unterhaltungsrundfunk in Deutschland, und er fand rasante Verbreitung. Der Rundfunk, so die Feststellung von Hans Bredow, dem seit April 1921 zuständigen Staatssekretär für das Telegrafen-, Fernsprech- und Funkwesen, solle einem »freudlosen Volk« Anregung und Freude bringen, es durch künstlerisch und geistig hochstehende Vorträge aller Art unterhalten. Er sollte mit seinen Sendungen der geistigen Verarmung der Bevölkerung entgegenwirken, für Erholung und Zerstreuung sorgen und die Arbeitsfreude steigern.

Jörg-Uwe Fischer

Detaillierte Informationen zu Strukturen und Personalien der damaligen Sendegesellschaften finden Sie unter Organisation des Weimarer Rundfunks.

Online-Tipps


CD-Tipps

  • Der Klang der zwanziger Jahre – Reden, Rezitationen, Reportagen 1920 bis 1930 mehr
  • Preußen in Weimar – Tondokumente 1918 – 1933 mehr

 

Literatur-Tipps

  • Alfred Braun – Radiopionier und Reporter in Berlin. Jenter, Steffen. – 1998. mehr
  • Hörfunk in Deutschland – Politik, Programm, Publikum (1923 – 1960). Dussel, Konrad. – 2002. mehr
  • Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik mehr
  • Schriftsteller vor dem Mikrophon – Autorenauftritte im Rundfunk der Weimarer Republik 1924 – 1932. Ein Verzeichnis. – 2006. mehr