Proklamation der Republik durch Scheidemann, 9. November 1918 | Bildquelle: Deutsches Historisches Museum

Philipp Scheidemann

»Das Alte, das Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue, es lebe die deutsche Republik!« Das sind wohl die bekanntesten Worte Philipp Scheidemanns, gesprochen bei der Ausrufung der Republik am 9. November 1918. Der Politiker gilt heute als herausragender Vertreter der deutschen Sozialdemokratie in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.

Scheidemann, geboren am 26. Juli 1865 in Kassel, war gelernter Schriftsetzer, arbeitete aber ab 1895 als Journalist für verschiedene sozialdemokratische Zeitungen. Schon gegen Abschluss seiner Lehre war er in die SPD eingetreten und wurde als 38-Jähriger Mitglied des Reichstags. 1911 wurde er zum Sekretär, 1913 in den Vorstand der SPD gewählt. Damit erhielt er eine führende Rolle in der SPD-Fraktion im Reichstag. In dieser Funktion galt Scheidemann als »Mehrheitssozialist«. Er vertrat eine moderate und vom Gros seiner Partei getragene Politik.

Im Laufe des Ersten Weltkriegs wandte er sich ab von den Vorstellungen eines Siegfriedens und den Eroberungsabsichten, die etwa vom Alldeutschen Verband propagiert wurden. Die allgemein wachsende Not der Arbeiterschaft, aber auch das Scheitern des uneingeschränkten U-Boot-Krieges und der Kriegseintritt der USA waren wohl die Ursachen für seine Bemühungen um eine rasche Beendigung des Krieges. In seiner »Friedensrede« im Reichstag am 15. Mai 1917 warb er nochmals eindringlich für einen Verständigungsfrieden, der von der notleidenden Bevölkerung herbeigesehnt werde. Er kritisierte in diesem Zusammenhang den vom Alldeutschen Verband verwendeten Propagandabegriff »Verzichtfrieden«.

Ausschnitt aus der Friedensrede im Reichstag (15. Mai 1917), nachgesprochen am 9. Januar 1920 (KONF 661603)

Seit Kriegsende bekleidete Scheidemann kurzzeitig das Amt eines Staatssekretärs ohne Ressort in der Regierung von Max Prinz von Baden (3. Oktober bis 9. November 1918). Nach Ausbruch der Novemberrevolution rief Scheidemann am 9. November 1918 die Republik aus. Seiner eigenen Darstellung nach wurde der Politiker an diesem Tage von Arbeitern und Soldaten aufgefordert, zu den Tausenden von Menschen vor dem Reichstag zu sprechen: Es sei Eile geboten, denn Karl Liebknecht beabsichtige, die Sowjetrepublik auszurufen. Die Ausrufung der Republik erfolgte – formal betrachtet – ohne Legitimation durch das Volk oder dessen Vertreter, was Scheidemann später heftige Kritik seines Parteifreundes Friedrich Ebert eintrug.

»Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue, es lebe die deutsche Republik!«

Philipp Scheidemann, 9. November 1918

Ausrufung der Republik vom Balkon des Reichstages (9. November 1918), nachgesprochen am 9. Januar 1920 (KONF 661606)

Scheidemann wurde später Mitglied des Rates der Volksbeauftragten (November 1918 bis Januar 1919) und war von 1919 bis 1920 Abgeordneter der Weimarer Nationalversammlung. Er wurde ab Februar 1919 zum Ministerpräsidenten der »Weimarer Koalition« gewählt, die aus SPD, Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei (DDP) bestand. Allerdings trat Scheidemann schon im Juni 1919 zurück, da er den Versailler Vertrag für inakzeptabel hielt. Von 1920 bis 1933 gehörte er dem Reichstag an, von 1920 bis 1925 war er zugleich Oberbürgermeister von Kassel. Immer wieder trat Scheidemann als begnadeter Redner in Erscheinung, so etwa in einer Wahlkampfrede für die SPD, die als Schallplatte überliefert ist. Dort prangerte er die von den »reaktionären Parteien« verursachte soziale Not der Menschen an und stellte die Verdienste der SPD heraus, die das »Reich vor dem Zerfall« gerettet, Männer und Frauen politisch gleichgestellt und das Wahlrecht reformiert habe.

Ansprache für die SPD anläßlich der Reichstagswahl am 20. Mai 1928 (KONF 668174)

Unter dem Eindruck der einsetzenden NS-Diktatur ging Scheidemann im März 1933 ins Exil. Er verstarb am 29. November 1939 in Kopenhagen.

Andreas Rühl

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